Zugtausch im Wiesenttal: So werden die Weichen für die Zukunft gestellt

Große Chancen für die Mobilität von morgen – Zug um Zug mehr Zukunft

Ein einzigartiger Zugstreckentausch in der Fränkischen Schweiz fand zwischen agilis und der Dampfbahn Fränkische Schweiz statt: Am Sonntag, dem 18.06. tauschten die beiden Verkehrsbetriebe die Bahnstrecke: Die Dampfbahn fuhr nach Forchheim und die agilis-Züge nach Behringersmühle (und zurück). Dies war der Höhepunkt der Mobilitätskampagne der ILE Fränkische Schweiz AKTIV. Mit dem durch agilis und der Dampfbahn vorgenommenen Zugtausch wollen die zwölf Kommunen die Aufmerksamkeit auf die Bahnstrecke legen und deutlich machen, was technisch möglich ist, um die Verkehrswende in der Region einzuleiten.

Unsere Gäste waren:

  • Umweltminister Thorsten Glauber
  • Landtagsabgeordneter Tim Pargent
  • die Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft Bärbel Fuchs
  • der Geschäftsführer der agilis Verkehrsgesellschaft Dr. Hennighausen
  • sowie die Verkehrsexperten Prof. Bohlinger und Prof. Kipke von der TH Nürnberg

Sie alle diskutierten über die Entwicklung der Mobilität in der Fränkischen Schweiz und was nötig ist, um den Umstieg vom PKW auf den ÖPNV zu schaffen.

Der Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber betonte die guten Voraussetzungen, die in der Fränkischen Schweiz vorhanden sind, um die Verkehrswende im ländlichen Raum einzuleiten: "Die Frage ist nicht, ob wir es technisch schaffen können, sondern ob wir es wollen. Bei der Taktverdichtung sollten wir nicht nur über Fahrgastzahlen sprechen, sondern auch über Nachhaltigkeit und die Stärkung unserer Ortschaften." Die Bürgermeisterin der Stadt Ebermannstadt und 1.Vorsitzende der ILE Fränkische Schweiz AKTIV, Christiane Meyer ergänzte: " Mit geringem technischen und finanziellen Aufwand könnten wir viel erreichen und zu einer Modellregion für die Verkehrswende auf dem Land werden. Wenn nur 10 % der Ebermannstädter umsteigen vom Auto auf den ÖPNV, dann würde das eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bedeuten.“

Der Verkehr ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland, um dem Bundes-Klimaschutzgesetz für 2030 gerecht zu werden, muss der Verkehr in Deutschland daher seine Treibhausgasemissionen drastisch mindern. Hier in der Fränkischen Schweiz sind die besten Voraussetzungen gegeben, denn es gibt eine intakte Bahnstrecke, die wir besser nutzen sollen:

  • mit einer Taktverdichtung von Forchheim nach Ebermannstadt,
  • mit einer Reaktivierung der Bahnstrecke von Ebermannstadt nach Behringersmühle
  • und einem ganzheitlichen Mobilitätskonzept, das die umliegenden Dörfer optimal an die Bahnstrecke anbindet.

Perspektiven zur Verkehrswende in der Fränkischen Schweiz

Der Verkehrsexperte Prof. Bohlinger von der TH Nürnberg begann mit einem kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Bahnstrecke in der Fränkischen Schweiz bis heute. Die Probleme der Strecke seien lange Fahrzeiten, technisch ungesicherte Bahnübergänge, und ausbaufähige Abstellanlagen. Dabei sind die Wünsche der Bürger ganz klar und unkompliziert: Sie möchten ihre Aktivitäten erledigen, ohne zwischendurch auf den PKW angewiesen zu sein

Dr. Stefan Krampe von Trafficon ergänzte, dass es v.a. in den jüngeren Generationen ein Umdenken gäbe und sich die Wertevorstellungen gewandelt haben: „Ein eigener PKW ist nicht mehr das Maß aller Dinge, sondern es rücken Werte wie Klimaschutz und nachhaltiges Leben mehr in den Fokus.“

Die beiden Experten gaben auch konkrete Beispiele für Maßnahmen, wie die Mobiltiät auf dem Land verbessert werden könnte, darunter Sharing-Angebote, bessere Stellplätze an den Bahnhöfen, Optimierung von Anschlüssen und der Ausbau von Radwegen. Ziel sei es, eine Mobilität zu schaffen, bei der jeder seine Aktivitäten ohne ständige Abhängigkeit vom Auto erledigen könne.

Um die Strecke kennenzulernen fand die anschließende Podiumsdiskussion im agilis-Zug statt, der nach Behringersmühle fuhr. Corinna Brauer, die ILE-Managerin stellte heraus, wie viel ehrenamtliches Engagement seitens der Dampfbahn in diesem Projekt steckt und wie viel Bürokratie bearbeitet wurde. Sie erklärte auch, warum die Kommunen sich dem Thema annehmen: „weil die Mobilität der Bevölkerung am Herzen liegt und wir nah an unseren Bürger:innen sind. Der Stundentakt ist nicht akzeptabel für die Menschen, die hier wohnen. Die Wartezeit in Forchheim hält auf und es lohnt sich nicht, von Zuhause mit der Bahn zu fahren. Die Menschen fahren lieber mit dem PKW nach Forchheim und steigen dort in den Zug. Insofern werden wir mit dem aktuellen Angebot die Fahrgastzahlen nicht erhöhen können.“

Bürgermeisterin Christiane Meyer, forderte eine Verbesserung des derzeitigen Bahnangebots, um die Attraktivität des Öffentlichen Nahverkehrs zu steigern und damit langfristig die Fahrgastzahlen zu erhöhen.

Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der bayerischen Eisenbahngesellschaft, äußerte sich positiv über die Initiative und das Engagement. Sie ist verantwortlich für die Planung und Finanzierung des Nahverkehrs in Bayern. Um langfristig das Angebot auch in Richtung Behringersmühle auszubauen und einen 30-Minuten-Takt mit der Bahn zu realisieren, sieht sie allerdings die Bewohner selbst in der Verantwortung, schon heute mehr vom Auto auf die Bahn umzusteigen. Es gebe klare politische Vorgaben für den Ausbau des ÖPNV, von denen auch die Finanzierungen in Mobilitätsangebote durch die bayerische Eisenbahngesellschaft abhängig wären. Für den Halbstundentakt braucht es 3.000 Fahrgäste pro Streckenkilometer. Eine Reaktivierung der Bahnstrecke setzt 1.000 Fahrgäste pro Streckenkilometer voraus.

Kritik an der Fahrgast-Grenze kommt von verschiedenen Seiten. Staatsminister Thorsten Glauber bekräftigte, dass Mobilität ein Umdenken voraussetzt. „Letztendlich müssen wir Mobilität auch anders denken.“ Es müsse erst ein Konzept geschaffen werden, um den ÖPNV für mehr als 1000 Einsteiger attraktiv zu machen.

Tim Pargent, der für die Grünen im Landtag sitzt, bekräftigte: „Vor allem im Bereich Schülerverkehr und Tourismus gibt es vielversprechende Anknüpfungspunkte für den ÖPNV. Es sind letztendlich auch politische Weichenstellungen, die den Unterschied machen. Wir brauchen Stimmen, die sagen `Jawohl, das gehen wir jetzt an und nehmen auch das Geld dafür in die Hand`. Die Verkehrszahlen und -hürden seien nicht in Stein gemeißelt, aber es muss eben auch finanziert werden und Regionalisierungsmittel können nicht beliebig erhöht werden.“

Unterstützung kam von den Experten der TH Nürnberg: „Wir müssen den gordischen Knoten zerschlagen“, betonte Prof. Kipke, der die Forschungsprofessur Intelligente Verkehrsplanung innehat. „Wo kein Angebot, da auch keine Nachfrage und daher ist die Taktverdichtung am Morgen und Abend ab Dezember ein erster wichtiger Schritt. Doch wir müssen das Angebot ganzheitlich verbessern. Dabei geht es auch um die Frage: Wie bringen wir die Menschen aus dem Oberland und den vielen Ortsteilen aus den umliegenden Dörfern an die Bahnstrecke.“ Es gehe hier nicht allein um Staus und Emissionen, sondern die Verkehrswende sei auch eine Frage der Generationengerechtigkeit und des Fachkräftemangels in der Region.

Beweglichkeit fängt im Kopf an

Prof. Bohlinger von der TH Nürnberg kritisierte die jetzige Schablone der 1.000 Fahrgastzahlen, die für Reaktivierungen angeführt wird: „Beweglichkeit fängt zuallererst im Kopf an. In anderen Nachbar-Bundesländern wurde die Grenze für Reaktivierungen niedriger angesetzt, so z.B. in Baden-Württemberg auf 500. Also wir sehen, die 1.000 Fahrgastzahlen sind kein Naturgesetz.“

Für ein durchdachtes und benutzerfreundliches Konzept plädiert auch Andreas Vogler, der Autor der Studie zu BahnAutonom im Wiesenttal. Er berichtet von seinen positiven Erfahrungen mit dem Öffentlichen Nahverkehr in der Schweiz: Von sauberen Bahnhöfen, pünktlichen Zügen, beheizten Wartebereichen im Winter und einem Jahres-Mobilitätsticket. „Die Frage muss lauten: Wie sprechen wir Menschen an, die aktuell nicht darüber nachdenken würden, in einen Zug zu steigen oder in einen Bus. Dafür brauchen wir eine Strategie und ein Konzept, sowohl auf Bundesebene, als auch auf lokaler Ebene. Was hier in der Fränkischen Schweiz läuft, sehe ich als einen Vorstoß, der deutschlandweit geschehen sollte.“

Dass das Thema Mobilität auch gerade für junge Menschen eine zentrale Rolle spielt, zeigen die beiden Mitglieder David und Gustav der jungen BIWO (Jugendgruppe der Bürgerinitiative pro Wiesenttal ohne Ostspange). „Das kann nicht die Mobilität der Zukunft sein“, heißt es von David. Statt die Gelder in einen Ausbau des Straßennetzes zu investieren, wünscht er sich in Zukunft schönere Bahnhöfe und eine bessere Taktung der Züge.

Wie es in Zukunft weiter geht

Der Zugtausch zwischen der Dampfbahn Fränkische Schweiz und der agilis-Bahn ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern auch ein erster praktischer Schritt zur Förderung nachhaltiger Mobilität. Er zeigt, dass die technischen Möglichkeiten gegeben sind, um mit dem Triebwagen der agilis einen Taktbetrieb auf der Dampfbahnstrecke aufzunehmen.

Der Verein „Dampfbahn Fränkische Schweiz e.V.“ (DFS) gilt nicht umsonst als „Retter der Bahnstrecke“, denn dank dem jahrzehntelangen ehrenamtlichen Engagement steht die Bahnstrecke heute unter Denkmalschutz und wird vorbildlich instandgehalten.

Doch auch auf der Stammstrecke zwischen Ebermannstadt und Forchheim tut sich was: Um mehr Menschen für die Bahn zu begeistern, stellte Dr. Hennighausen, Geschäftsführer von agilis die Neuerungen zum nächsten Fahrplanwechsel vor: Bis Ende des Jahres werden mit dem neuen Fahrplan der agilis bereits Taktlücken zwischen Ebermannstadt und Forchheim geschlossen, um gerade für Pendler in den frühen Morgenstunden das Angebot zu verbessern. Bis 8 Uhr morgens werden vier Züge fahren. Der erste fährt ab 5 Uhr in Ebermannstadt ab und auch abends wird es Taktverdichtungen geben.

Die Anreise nach Nürnberg von Ebermannstadt aus soll dann in unter 50 Minuten möglich sein. Außerdem wird in den agilis-Zügen überall W-Lan verfügbar sein.

Dr. Hennighausen bekräftigt: „Am Wochenende sind wir schon weit über den 650 Reisenden. Das entscheidende wird sein, auch die Pendler vom Auto in die Bahn zu bringen.“

Zum Abschluss gab es vom Landtagsabgeordneten Tim Pargent ein großes Lob: „Allein was ihr hier auf die Beine stellt, ist schon stark. Und ihr überwindet auch die Landkreisgrenzen ein Stück weit in der ILE, genau was es braucht, um die Mobilität für die gesamte Fränkische Schweiz neu zu denken.“

Die ILE Fränkische Schweiz und ihre Partner werden sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Fränkische Schweiz eine Modellregion wird für eine Verkehrswende auf dem Land. In den nächsten 10 bis 15 Jahren wird sich entscheiden, ob uns in der Region eine dauerhafte Verbesserung des Verkehrs gelingt. Zug um Zug für die Zukunft.

Danke

Ein ausdrücklicher und großer Dank geht an das gesamte Dampfbahnteam um Michael Frank, Uwe Völkl, Johannes Obenauf und Stephan Schäff, die diesen Zugtausch ehrenamtlich vorbereitet und umgesetzt haben.

Wir danken außerdem der agilis Verkehrsgesellschaft für die Bereitschaft, sich auf das Abenteuer einer neuen Streckenbefahrung einzulassen, für die Erlaubnis die Podiumsdiskussion im Zug zu veranstalten – und für die unvergessliche nächtliche Konzertfahrt um 22 Uhr von Ebermannstadt nach Behringersmühle und zurück.

Danke an das Ensemble Lewandowski, (aus Musikern der Bamberger Symphoniker), die uns für die nächtliche Konzertfahrt gemeinsam mit Ralli Bodgan und Franz Zwosta begleitet haben. Dieser Zugtausch bleibt unvergesslich!